Kapitel 3 - Seekarten

Seekarten sind ein unverzichtbares Werkzeug für die Navigation auf See. Sie liefern eine Fülle von Informationen über Wassertiefen, Gefahrenstellen und Navigationshilfen und bilden damit die Grundlage für eine sichere Törnplanung und -durchführung. Dieser Lehrkurs vermittelt einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Arten von Seekarten, ihre Darstellungsmittel (Massstab, Symbole, Abkürzungen, Farben), die erforderlichen Berichtigungen sowie zentrale Navigationshilfen wie Betonnungssysteme, Leuchtfeuer und Landmarken. Darüber hinaus werden wichtige Aspekte der Küstennavigation wie Rückwärtspeilungen und die Berücksichtigung von Gezeiten und Missweisung behandelt.

 

1.     Papier-, Raster- oder Vektorkarten

 

·       Papierkarten
Papierkarten sind die traditionelle Form der Seekarten, die seit Jahrhunderten verwendet werden. Sie sind robust in der Handhabung und benötigen keine elektronische Ausrüstung, wodurch sie besonders langlebig und vielseitig einsetzbar sind. Allerdings müssen sie regelmässig manuell aktualisiert werden, und bei Nässe oder starkem Wind kann ihre Handhabung schwierig sein.

·       Rasterkarten
Rasterkarten sind digitale Abbilder von Papierkarten, die durch Scannen erstellt werden. Sie enthalten denselben Informationsgehalt wie die Papierkarten, bieten jedoch keine erweiterten Funktionen wie selektierbare Objekte. Bei starker Vergrösserung können sie pixelig werden. Ihre Aktualisierung ist vergleichsweise aufwendig, da jede Änderung die gesamte Karte betrifft.

·       Vektorkarten
Vektorkarten sind die modernste Form der elektronischen Seekarten. Sie basieren auf einer Datenbankstruktur, die es ermöglicht, Objekte einzeln abzufragen, auszuwählen oder zu modifizieren. Diese Karten bieten praktische Funktionen wie Zoom-Optionen und Routenplanung, zusätzlich zur Anzeige von AIS-Daten (Automatisches Identifikationssystem) und anderen wichtigen Informationen. Ein weiterer Vorteil ist die unkomplizierte Aktualisierung, bei der nur die betroffenen Objekte angepasst werden müssen, anstatt die gesamte Karte zu überarbeiten.

 

2. Seekartenberichtigung

·       Seekarten müssen immer auf dem aktuellsten Stand sein

Die Seekarten werden von hydrographischen Instituten herausgegeben. Berichtigungen erfolgen entweder mittels Korrekturblättern oder durch manuelle Anpassungen direkt auf der Karte. Zusätzliche Informationen für notwendige Aktualisierungen stammen aus Nachrichten für Seefahrer (NfS) oder den Notices to Mariners (NMs).

 

·       Verantwortung des Skippers

Vor jedem Törn ist es notwendig, den Berichtigungsstand der verwendeten Seekarten zu überprüfen. Diese Verantwortung liegt beim Skipper, da nur aktuelle und korrekt berichtigte Karten eine sichere Navigation gewährleisten.

3. Massstäbe und Darstellungsfarben

 

3.1 Massstäbe

Der Massstab zeigt, wie viele Einheiten in der realen Welt einer Einheit auf der Karte entsprechen, und gibt so das Verhältnis zwischen Karte und Wirklichkeit an. Beispielsweise bedeutet ein Massstab von 1:50.000, dass ein Zentimeter auf der Karte 50.000 Zentimeter (oder 500 Meter) in der Natur darstellt.

 

Kartentyp

Massstab

Verwendungszweck

Ozeankarten

1:5.000.000 und kleiner

Für grobe Routenplanung über weite Ozeangebiete.

Übersichtskarten

1:1.600.000 bis 1:5.000.000

Grossräumige Törnplanung, weniger geeignet für genaue Navigation.

Segelkarten

1:300.000 bis 1:1.600.000

Detaillierte Darstellung von Küstenabschnitten, unterstützen praktische Schiffsführung.

Küstenkarten

1:30.000 bis 1:300.000

Ideal für terrestrische Navigation in Küstenbereichen.

Pläne

1:30.000 und grösser

Zeigen Häfen, Fahrwasser oder Buchten mit höchster Detailgenauigkeit.

 

3.2 Farben und Tiefendarstellung

Die Farben und Tiefendarstellungen auf Seekarten geben wichtige Informationen zur Beschaffenheit des Gewässers und dessen Umgebung, wodurch eine sichere Navigation erleichtert wird.

 

Farbe

Bedeutung

Gelb

Landflächen.

Grün

Bereiche, die bei Hochwasser überflutet und bei Niedrigwasser trockenfallen (Watt).

Blau

Flaches Wasser.

Weiss

Tiefes Wasser.

Wassertiefen werden in Metern (auf englischen Karten manchmal auch in Fuss) angegeben, Tiefenlinien markieren Bereiche gleicher Tiefe (z. B. 5-m- oder 10-m-Linie).

 

3.3 Das Kartennull (KN)

Tiefen beziehen sich auf ein definiertes Kartennull (KN):

  • In Gezeitenrevieren: niedrigst möglicher Gezeitenwasserstand (LAT = Lowest Astronomical Tide).
  • In nahezu gezeitenfreien Gewässern: mittlerer Wasserstand (MSL = Mean Sea Level).

Vor allem in einem Gezeitenrevier muss ich also nicht erstaunt sein, wenn die mit dem Lot gemessene Wassertiefe grösser ist als jene, die in der Seekarte eingetragen ist. Die tatsächliche Wassertiefe (mit dem Lot gemessen) ist die Summe aus Kartentiefe und aktueller Gezeitenhöhe.

4. Welche Informationen liefert eine Seekarte?

 

4.1 Landmarken

Auffällige Objekte an Land, wie beispielsweise Kirchen oder Türme, dienen in der Navigation als Landmarken. Sie werden häufig bei Querpeilungen genutzt oder dienen als wichtige Orientierungspunkte, um die eigene Position sicher bestimmen zu können.

 

4.2 Leuchtfeuer

Leuchtfeuer dienen als wichtige Navigationshilfen und sind durch unterschiedliche Kennungen wie Blitze oder Morsezeichen gekennzeichnet. Die spezifischen Informationen zu Standort, Reichweite und Farbsignalen der Leuchtfeuer sind in den Leuchtfeuerverzeichnissen zu finden, die für die Navigation von grosser Bedeutung sind.

 

4.3 Seezeichen

Schwimmende Markierungen, wie Tonnen, und feste Objekte, wie Baken, dienen dazu, Fahrwasser, Gefahren und Sperrgebiete zu kennzeichnen. Sie sind essenziell, um eine sichere Navigation zu gewährleisten, indem sie auf potenzielle Hindernisse oder Einschränkungen hinweisen.

 

4.4 Betonnungssysteme

 

Das Lateralsystem markiert die linke und rechte Seite eines Fahrwassers mithilfe von roten und grünen Tonnen, um die Navigation sicherer zu machen. Das Kardinalsystem hingegen warnt vor Gefahren, indem es gelb-schwarze Tonnen verwendet, die je nach Position relativ zu der Gefahr nach Norden, Osten, Süden oder Westen ausgerichtet sind.

Lateralsystem

Kardinalsystem  


4.5 Gezeitenströme

 

Einige Seekarten enthalten spezifische Informationen über Gezeitenströme, die für die Navigation in Gezeitenrevieren von entscheidender Bedeutung sind. Diese Angaben helfen dabei, die Richtung und Geschwindigkeit von Strömungen zu verstehen, um eine sichere und effiziente Routenplanung zu gewährleisten.

Symbole, Abkürzungen und wichtige Karteneinträge

 

Symbole wie Leuchtfeuer, Tonnen, Wracks oder Landmarken dienen als visuelle Orientierungshilfen auf der Seekarte und erleichtern die Navigation. Abkürzungen (z. B. „F.“ für festes Licht) sparen Platz und bieten klare Informationen zu markanten Navigationspunkten. Es ist wichtig, die gängigsten Symbole auswendig zu kennen, da sie in der Praxis oft schnell identifiziert werden müssen. Gleichzeitig kann man sie in der Karte INT1 nachschlagen, die als praktisches Lexikon für Seekarten dient.

5. Missweisung (Variation, engl.: magnetic variation) und Kompassrosen

Der magnetische Nordpol weicht vom geografischen Nordpol ab und verschiebt sich jedes Jahr geringfügig. Die Kompassnadel zeigt auf den magnetischen Norden. In der Navigation müssen wir aber mit dem geographischen Norden rechnen. Die Missweisung beschreibt den Winkel zwischen der geografischen Nordrichtung (rwN) und der magnetischen Nordrichtung (mwN). Die Missweisung kann in manchen Regionen mehrere Grad betragen, insbesondere in hohen Breitengraden.

 

In der Seekarte wird die Missweisung durch sogenannte Missweisungsrosen (oder Isogonen) dargestellt. Missweisungsrosen enthalten Informationen über das Bezugsjahr und die jährliche Änderung der Missweisung, die als Zunahme oder Abnahme angegeben wird.

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Boris Ehret

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